Die Geschichte der Stadt Lehe

  1. Lehe als Ursprungsgemarkung der Seestadt Bremerhaven
  2. Wie kam es zur Hafen- und Stadtgründung auf dem Leher Areal?
  3. Wie wurden die Standortvorteile der Leher Flur von der Schiffahrt genutzt?
  4. Lehe als Austragungsort von Interessenskonflikten Dritter
  5. Die Landesherren von Lehe
  6. Was bedeutet der Name Lehe?
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Lehe anno 1600

Lehe als Urprungsgemarkung der Seestadt Bremerhaven

Die Gemarkung Lehe umfaßte seit jeher unbestritten die größte Grundstücksfläche im Verbund der Städte an der Weser- und Geestemündung. So war es auch Auf dem Areal der Leher Ursprungsgemeinde (einschließlich der Außendeichsgelände) sind aus heutiger Sicht
  1. die drei bevölkerungsreichsten Stadtteile der Seestadt Bremerhaven entstanden

  2. (Lehe, Leherheide und Mitte mit der City),
  3. alle Überseehäfen mit den dazugehörigen hafenspezifischen Betrieben angelegt worden. Die Häfen bilden das wirtschaftliche Rückgrad für die Existenz der Seestadt Bremerhaven und möglicherweise auch für Bremen.
  4. die wichtigsten Ämter wie Stadtverwaltung, Polizei und Justizbehörden eingerichtet worden.
Fazit: Mit zugegeben einem zumindest leicht angehauchten Touch von Lokalpatriotismus, der hoffentlich unter objektiver Gewichtung der nachstehenden Fakten nicht total falsch verstanden wird, kann zu Recht folgende Schlußfolgerung gezogen werden:

Lehe war der Name der größten Ursprungsgemarkung, hatte die geschichtsträchtigste Vergangenheit und konnte sogar mit Adolf Butenandt einen Nobelpreisträger aufweisen. Wenn diese Gesichtspunkte bei der Namensgebung der Seestadt Bremerhaven gebührend berücksichtigt worden wären, so würde diese Seestadt heute nach alter Gepflogenheit Seestadt Lehe heißen.

Würde man gar der Devise aus dem letzten Wahlkampf zur bremischen Bürgerschaft "Ohne Bremerhaven - kein Land Bremen" in aller Konsequenz folgen, müßte auch das Land Bremen in Land Lehe umbenannt werden.
 

Wie kam es zur Hafen- und Stadtgründung auf dem Leher Areal?

Die Leher Flur, die auf einem sandigen Geestrücken im Winkel des Weserstroms und des Geesteflusses gelegen ist, hat schon geografisch bedingte Standortvorteile für einen Hafen- und Handelsort aufzuweisen.
  1. In der Wesermündung ist die Leher Flur der Ort, der von Schiffen jeder Größenordnung zu jeder Zeit (also unabhängig vom Tiefgang und der Tide) als der der Nordsee am nächsten gelegene Umschlag-, Not- und Überwinterungshafen angelaufen werden kann.
  2. Für den Zugang zu dem sogenannten Weser-Elbe-Dreieck nimmt dieser Ort eine Schlüsselstellung ein. Seit dem Mittelalter führten die Heerstraße und der Postweg mit Fähr- und Brückenverbindung von Bremen allein über Lehe ins Land Wursten, ins Land Hadeln und in die Orte des dazwischen liegenden Geestrücken einschließlich Ritzebüttel, dem späteren Cuxhaven.
  3. Für die Ansiedlung von schiffahrtsspezifischen Industrien, Gewerben und Dienstleistungsunternehmen wie Werften, Fischverarbeitung, Umschlag von Stückgut und Erz (heute auch Container, Kraftfahrzeuge, etc.) und
  4. für die Besiedelung all der Personen, die für den Ablauf der Wirtschaftsleistugen und für die vielseitige Lebensgestaltung erforderlich sind, sind optimale Standortvorteile gegeben.

  5.  

Wie wurden die Standortvorteile der Leher Flur von der Schiffahrt genutzt?

Es ist bezeugt, daß zur Zeit der Völkerwanderung (ca. 5. Jhd) vom Leher Geesteufer aus die Sachsen nach England übergesetzt haben und daß 1776 alle Soldaten des Landgrafen von Hessen, die als Söldner in englischen Diensten zum Einsatz im Unabhängigkeitskrieg in den USA gezwungen wurden, vom Leher Geesteufer nach Amerika eingeschifft wurden.
Ganz sicher diente der Leher Anliegeplatz Bruggehausen an der Geeste im Mittelalter durchgehend dem Umschlag von Gütern, die auf dem Seeweg angelandet bzw. ausgeführt worden sind. Zu diesen Handelsgütern zählten insbesondere Vieh, Getreide, Baumaterialien (Holz, Findlinge, Ziegel, Mauer- und Feldsteine, Muschelkalk), Bier, Salz und Waltran.
Der Plan der Schweden, etwa ab 1670 von Lehe aus Anteil zu nehmen an dem sich stetig ausweitenden Seehandel mit Amerika, Afrika und Asien, scheiterte bereits im Anfangsstadium. Zwar konnte mit der Anlage der Festung Carlsburg eine Voraussetzung für die Hafengründung als Gegenpol zu Amsterdam, London und dem gleichzeitig von Dänemark in der Elbmündung konzipierten Hafen Glücksstadt geschaffen werden. Die militärischen und politischen Niederlagen Schwedens, insbesondere im Nordischen Krieg, führten jedoch zur Aufgabe dieser Pläne auf dem Leher Areal.

Die Standortvorteile der Leher Gemarkung, insbesondere deren Außendeichsgelände im weitesten Sinne, hat letztendlich die Stadt Bremen zu nutzen gewußt. Die Kaufmannschaft der Stadt Bremen geriet nicht nur dadurch unter Druck, daß die Oldenburger Seite als Weseranrainer immer mehr Rechte an diesem Strom geltend machte. Existenzbedrohend war die Versandung der Weser für den Schiffsverkehr nach Bremen, selbst nach Vegesack. Weil Anfang des 19. Jahrhunderts die Erkenntnisse für eine Weserkorrektion (zum Entgegenwirken der Versandung) fehlten, bedeutete der sich abzeichnende technische Fortschritt im Schiffbau

  1. Übergang vom Segelschiff zum Dampf- und Motorschiff, gleichzeitig vom Holz- zum Stahlschiffbau.
  2. Übergang vom Einzelkollitransport zum Massengut- (später Container-) Umschlag.
wegen des hiermit verbundenen größeren Tiefgangs der Schiffe das Todesurteil für die bremischen Häfen.
Bremen machte auf dem Leher Areal Nägel mit Köpfen. Häfen und Schleusen, jeweils dem neuesten technischen Stand entsprechend, entstanden. Die bremischen Häfen zählen auch heute noch zu den modernsten Häfen der Welt.
Neben dem Warenumschlag haben sich die bremischen Häfen auf ursprünglich Leher Grund und Boden auf dem Sektor des Passagierverkehrs bewährt. Im 19. Jahrhundert waren der Boom der Auswanderer, im 20. Jahrhundert der Besuchs- und Kreuzfahrtreiseverkehr bestimmend.

Lehe als Austragungsort von Interessenskonflikten Dritter

a) Die Lage des Leher Areals genau an der engsten Stelle der hier trichterförmig zusammenlaufenden Wesermündung stellte für die Schiffahrt nach Bremen einen erheblichen Gefahrenpunkt dar, wenn Lehe von dem damaligen Recht auf Strandgut Gebrauch macht, wobei die Grenze zum Strandraub allzu leicht überschritten werden konnte und auch wurde. So kamen die Leher wie auch die Wurster und Butjadinger immer wieder in den Verdacht, bei Strandungen nicht als legale Strandgutberger, sondern als gesetzlose Seeräuber zu handeln.
Der Rat der Stadt Bremen hat sich daher zur Abwendung dieser Risiken schon 1421 die Herrschaft über Lehe vertraglich gesichert. Durch die Bedingungen des Westfälischen Friedens gingen diese Rechte nach höchstrichterlicher Entscheidung 1654 an Schweden verloren.

b) Die unmittelbare Nachbarschaft zum Land Wursten führte immer wieder zu Grenzstreitigkeiten. Unklarheiten über den Umfang von Rechten und Pflichten waren wiederholt Gegenstand von Handgreiflichkeiten.

c) Das Land Wursten versuchte mit allen Mitteln seine von den Landesherren errungenen Eigenständigkeit und Eigenverwaltung zu erhalten. Nicht nur Sturmfluten waren existenzgefährdend. Weit brutaler waren die Landesherren, die konstruierte Herrschaftsansprüche umsetzen wollten. Hierbei geriet Lehe wiederholt zwischen die Fronten und trug erheblichen Schaden davon.

  1. So wurde Lehe in Mitleidenschaft gezogen, als 1408 die Wurster den Bau der Stinteburg auf Leher Grund und Boden zerstörten. Der Erzbischof von Bremen war somit schon zu Beginn gescheitert, Ansprüche auf Land Wursten zum Ausdruck zu bringen.
  2. Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg nimmt 1484 und der Erzbischof 1499 Lehe zur Stationierung seiner Truppen in Beschlag, um von hieraus Land Wursten zu erobern. Beide Versuche scheiterten. Die Zwangseinquartierungen führten für die Leher wiederum zu erheblichen Beeinträchtigungen
  3. Erzbischof Christoph von Bremen zieht 1517 wieder gegen die Wurster zu Felde. Sieben Wochen quartierten sich seine Soldaten in Lehe ein. Ein teilweiser Erfolg der Wurster über die Bremer varanlaßte die Wurster Lehe zu plündern und mehrere Häuser in Brand zu stecken. Auch der Rachefeldzug der Bremer 1524 gegen die zwar besiegten, jedoch wieder aufbegehrenden Wurster wurde über Lehe geführt.
d) Im Schmalaldischen Krieg gerät Lehe wegen seiner Zugehörigkeit zu Bremen, das gegen den Kaiser Stellung bezogen hatte, in eine bedrohliche Lage, als 1547 kaiserliche Truppen auf Lehe anrücken und die Plünderung und Brandlegung Lehes androhen. Die Gefahr konnte jedoch durch erhebliche Geldleistungen abgewendet werden.

e) Vom 30jährigen Krieg blieb Lehe ebenfalls nicht verschont.

  1. Tilly rückt 1627 in Lehe ein. Auch in diesem Fall konnte Lehe sich nur durch Zahlung erheblicher Geldbeträge von der Last der Zwangseinquartierung befreien.
  2. Die Weigerung Bremens, die Bedingungen des Westfählischen Friedens im Sinne Schwedens zu erfüllen, beantworteten die Schweden 1654 mit der Besetzung Lehes und mit der Anlage der Leher Schanze im Winkel zwischen Weser und Geeste. Diese Befestigung wird 1657 von dänischen Schiffen erobert, jedoch im Gegenzug nach viertägiger Belagerung an die Schweden zurückgegeben.
f) Die Schweden festigen Lehe als Truppenstandort in der Umsetzung des Plans, auf Leher Grund und Boden einen Konkurrenzhafen zu Amsterdam und London anzulegen. 1672 werden schwedische Truppen in Lehe einquartiert, bis sie in die im Bau befindliche Befestigungsanlage Carlsburg einziehen konnten. Lehe wird verpflichtet, alle mit der Stationierung anfallenden Lasten zu tragen.
Im Winter 1675/1676 wurde die Festungsanlage von den Dänen angegriffen und besetzt. Bis 1680 steht die Anlage unter dänischer Aufsicht.

g) Während des Siebenjährigen Kriegs sind die Franzosen und Engländer zeitweilig in Lehe einquartiert worden. Lehe muß erhebliche Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung tragen.

h) Die napoleonische Zeit bescherte Lehe viel Leid und erhebliche Verluste. 1795 werden englische Soldaten über Lehe zum Einsatz gegen Frankreich mit Schiffen angelandet und wieder rückgeführt. Die Quartierungslasten während der Zeit der Einschiffung trägt Lehe.

i) Der Aufstand der Leher und Wurster 1813 gegen die vermeintlich besiegten Franzosen führt für die Leher zur größten Katastrophe. Die Franzosen plündern im Gegenzug Lehe und töten 60 Leher. Auch das etwas spätere Einrücken russischer Soldaten bedeutet eine erhebliche Belastung für die Bewohner Lehes.

k) Im 2. Weltkrieg wurde Lehe mehrmals Ziel britischer Bomber. Eine Vielzahl von Häusern wurden durch Spreng- und Brandbomben zerstört. Viele Einwohner verloren bei den Luftangriffen ihr Leben.
 

Die Landesherren von Lehe

um 800 Karl der Große entmachtet die sächsischen Stammesfürsten und beruft eigene Grafen. Die Herrschaft über Lehe üben die Herren von Bederkesa und die Grafen von Stotel aus
1228 Der Erzbischof von Bremen übernimmt auch die weltliche Herrschaft über Lehe
1421 übernahm der Rat Bremen die Rechte über Lehe vom Erzbischof von Bremen
1653 besetzten schwedische Truppen Lehe in Vollzug der Bedingungen des Westfählischen Friedens
1711 besetzten dänische Truppen Lehe aufgrund ihrer militärischen Erfolge über Schweden
1715 erwirbt das Kurfürstentum Hannover aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg das sekularisierte Erzstift Bremen, jetzt Herzogtum Bremen, zu dem auch Lehe gehört
1866 annektiert Preußen Hannover. Lehe gehört bis 1945 zu Preußen
1924 Lehe vereinigt sich mich Geestemünde zu Wesermünde und verlor als Stadtteil von Wesermünde seine kommunale Selbstständigkeit
ab 1947 gehört Lehe als Stadtteil der Seestadt Bremerhaven zum Land Bremen

 

Was bedeutet der Name Lehe?

Es gibt mehrere Orte mit dem Namen "Lehe". Zum Beispiel außer unserem:
  1. Lehe südlich von Varel in Ostfriesland
  2. Lehe als Teil von Horn-Lehe östlich von Bremen
  3. Lehe als Teil von Lunden an der Westküste von Schleswig-Holstein
  4. Lehe an der Ems, südlich von Papenburg
In den Urkunden ist immer mundsprachlich "Lehe" = Lee oder Le angeführt, woraus man schloß, daß es sich um das plattdeutsche Wort für Sense handelt (als Pendant Spaten für das an Lehe angrenzende Dorf Spaden). Das soll allerdings falsch sein. Die überwiegende Meinung der Sachverständigen lautet: Lehe bedeutet das althochdeutsche Wort für Lieth, was so viel heißt wie Hügel. Lehe liegt auf dem Ausläufer der eiszeitlich gebildeten Hohen Lieth, dem Geestrücken zwischen Cuxhaven und Bremerhaven. Lehe soll auch mit Luv und Lee aus der Schiffahrt nichts zu tun haben. Die Deutung Lehe als Ort im Lee (also der dem Wind abgewandten Seite) zur Weser gelegen soll falsch sein.
 
 
 

Diese Ausführungen zur Geschichte Lehes erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerlosigkeit.


Rudolf Mark, Hobby-Heimatforscher mit unverkennbar einseitig auf Lehe ausgerichtetem Blick,
Lehe, August 1999
letzte Änderung März 2001